(Suse Heinz)
Pensionskassen

Balanceakt zwischen Ertrag und Klimaschutz

Die Pensionskassen müssen abwägen, ob sie eine sofortige finanzielle Rendite erreichen wollen oder langfristige Nachhaltigkeitsziele anstreben.

Adrian Bienz und Josef Zopp / Illustration: Suse Heinz

Anfang April 2024 wurde ein historisches Urteil vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gefällt: Die Schweiz macht zu wenig beim Klimaschutz und verletzt deshalb Menschenrechte von älteren Frauen, den Klima-Seniorinnen. Haben die Klima-Seniorinnen recht, und ist das Urteil gegen die Schweiz vertretbar? Darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Auch wenn das Urteil vorerst nur die Schweiz betrifft, werden andere Länder sicherstellen müssen, dass sie ihre Klimaschutzmassnahmen verschärfen, um nicht gegen die Menschenrechte zu verstossen.

Barack Obama unterstrich bereits im Jahr 2015 die Dringlichkeit, den Klimaschutz anzugehen: «We are the first genera-tion to feel the impact of climate change and the last generation that can do something about it.»

Finanzielle und ökologische Faktoren berücksichtigen

In der Schweiz stehen Pensionskassen vor einer komplexen Herausforderung: Sie müssen ihre CO2-Emissionen signifikant reduzieren und gleichzeitig rentable Investitionen tätigen, um den nationalen und internationalen Klimazielen gerecht zu werden. Der Begriff «doppelte Wesentlichkeit» spielt dabei eine zentrale Rolle. Er verweist auf die Notwendigkeit für Vorsorgeverantwortliche, finanzielle und ökologische Faktoren gleichzeitig zu berücksichtigen. Dies erfordert eine genaue Balance, um sowohl ökologische als auch finanzielle Ziele zu erreichen.

Das Pariser Abkommen und die «langfristige Klimastrategie der Schweiz» setzen das ambitionierte Ziel, bis 2050 keine Treibhausgase mehr zu emittieren. Dieser Druck lastet besonders auf dem Immobiliensektor, in den Pensionskassen traditionell stark investieren.

Trotz der klaren Ziele zeigt sich, dass aktuell nur ein Viertel des Schweizer Vorsorgekapitals auf dem Weg ist, die Klimaziele zu erreichen. Der Hauptgrund hierfür liegt in den hohen Initialkosten für nachhaltige Bau- und Sanierungsmassnahmen sowie in der Notwendigkeit, die kurz- bis mittelfristigen Rentabilitätsziele zu erfüllen.

Wachsender Druck auf die Pensionskassen

Dies führt oft zu einem Dilemma, in dem Finanzverantwort-liche zwischen sofortiger finanzieller Rendite und langfristigen Nachhaltigkeitszielen abwägen und entscheiden müssen. Die Investitionen in energieeffiziente und umweltfreundliche Gebäude versprechen jedoch nicht nur eine Reduktion der CO2-Emissionen, sondern können auch finanzielle Vorteile mit sich bringen, wie niedrigere Betriebskosten und höhere Mieteinnahmen durch attraktivere Immobilien.

Der gesellschaftliche und politische Druck auf Pensionskassen, ihre Anlagestrategien nachhaltiger zu gestalten, wächst stetig. Die Öffentlichkeit fordert zunehmend Transparenz und Verantwortung in Bezug auf ökologische Auswirkungen der Anlageentscheidungen. Dies führt dazu, dass Pensionskassen nicht nur aus ethischer Verpflichtung, sondern auch zur Wahrung ihrer Wettbewerbsfähigkeit und ihres öffentlichen Images nachhaltige Investitionen tätigen. Ein weiteres Argument für nachhaltige Investitionen ist das Risikomanagement. Immobilien, die hohen Energieverbrauch und ent-sprechende Emissionen aufweisen, werden zukünftig stets unattraktiver zu vermarkten sein.

Abendrot als Vorreiterin in Sachen Nachhaltigkeit

Einige Pensionskassen integrieren deshalb Nachhaltigkeitskriterien in direkten und indirekten Immobilienanlagen. Direkte Anlagen betreffen die Selbstverwaltung von Immobilien mit Fokus auf ökologische und soziale Standards, während indirekte Anlagen über Fonds laufen, wobei Transparenzmängel die Einhaltung der Kriterien erschweren. Hauptprobleme sind die fehlende Standardisierung, höhere Baukosten und begrenzte Investitionsmöglichkeiten.

Abendrot fokussiert ausschliesslich auf direkte Immobilienanlagen und verpflichtet sich dabei höchsten Nachhaltigkeitsstandards. Das Unternehmen managt den gesamten Entwicklungsprozess von der Planung bis zur Verwaltung, um die Einhaltung dieser Kriterien zu gewährleisten. Ein besonderer Fokus liegt auf der Umnutzung bestehender Liegenschaften und der Entwicklung von Neubauprojekten, welche die Bedürfnisse und Einbindung der lokalen Gemeinschaft berücksichtigen.

Das Dilemma der doppelten Wesentlichkeit in ESG-Investitionen spiegelt die gegenläufigen Erwartungen und Anforderungen wider, denen sich Anleger und Asset Manager gegen-übersehen. ESG-Ratings messen die finanziellen Risiken von Unternehmen aufgrund von Umwelteinflüssen, versäumen es jedoch oft, den Einfluss von Unternehmen auf Umwelt und Gesellschaft zu bewerten. Dies führt bei Anlegern, deren Erwartungen über das reine finanzielle Kalkül hinausgehen und die vielmehr eine positive Wirkung auf die Umwelt anstreben, zu Verwirrung und Kontroversen.

Die aktuelle Entwicklung und die rechtlichen Auseinandersetzungen (Stichwort: Greenwashing) weisen darauf hin, dass klare Regulierungen und Definitionen der Messwerte für ESG-Ratings notwendig sind. Die Europäische Union hat bereits erste Schritte unternommen, die ESG-Rating-Agenturen stärker zu regulieren und Transparenz bezüglich der Methoden zu fordern.

Gesellschaftliche Aspekte stärker berücksichtigen

Wer mit seinem Geld einen positiven Einfluss auf die Umwelt oder die Gesellschaft erreichen will, muss daher nach wirkungsorientierten Strategien Ausschau halten, beispielsweise Impact Investing oder Engagement. Letzteres bezeichnet die aktive Einflussnahme der Aktionäre beziehungsweise der Fonds-manager, zum Beispiel mit dem Ziel, das Management davon zu überzeugen, gesellschaftliche Aspekte wie Gleichstellung stärker zu berücksichtigen oder sich Klimaziele zu setzen.

Bislang steht Anlegern und Anlegerinnen damit kein einfacher Orientierungsrahmen für nachhaltiges Investieren zur Verfügung – und es ist auch nicht absehbar, wie diesbezüglich Klarheit entstehen soll.

Themenspezifische Specials

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